Cevad Memduh Altar1902-1995
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WOLFGANG AMADEUS MOZART IM LICHTE OSMANISH-ÖSTERREICHISCHER BEZIEHUNGEN

Cevad  Memduh ALTAR

(Wien, Mozart Jahr 1956)

            Der geniale Künstler W.A. Mozart hat in seinem kurzen Leben eine unfassbar große Anzahl von Werken geschaffen und den früheren Nachbarn Österreichs, den Türken, erschien es von jeher ganz besonders bemerkenswert, dass Mozart in einigen seiner Werke der türkischen Musik und der türkischen Art Platz einräumte. Es besteht kein Zweifel, dass das Interesse der Türken an Mozarts Kunst sich besonders nach dem Jahre 1839 steigerte, nachdem der türkische Kaiser Abdülmecid I. mit den politischen und sozialen Reformerklärungen begann. Tatsache aber ist, dass schon vor der Veröffentlichung der ersten, in der Geschichte der Osmanen sogenannten politischen Reformerkläung (Tanzimat) die Türken Gelegenheit hatten, die Musik ihrer großen Nachbarn, der Österreicher zu hören und auch den Österreichern ihre eigene Musik zu Gehör brachten. Besonders der Gesandtenaustausch gab die beiderseitige Gelegenheit dazu, denn wie man schon aus dem ältesten Geschichtsbericht entnehmen kann, waren die, bei einen solchen Austausch veranstalteten Festzüge stets von einer türkischen oder auch von einer österreichischen Militärmusikkapelle begleitet(1). Aber wie überall, so auch in der Türkei, Begnügte sich das Interesse an einer übernationalen Kunst nicht nur am Hören und Sehen, sondern erst als sich der Wunsch äußerte, solche fremden Künste persönlich auszuüben oder auch zu reproduzieren, vollzog sich eine technische  und wissenschaftliche Wandlung dabei.

            So begann in der Türkei gerade in den letzten hundert Jahren die perspektivische also die Dreidimensionenreform im Gebiete der Malerei und die Wandlung der einstimmigen Musik in die Mehrstimmigkeit nach abendländischem Sinne. Der kulturelle Austausch zwischen den beiden nahen Nachbarn, er sich auf der gemeinsamen Wissenschaft  und der Technik des Abendlandes abwickelte, ist im Gebiete der Musik durch den Gebrauch der allgemeinen und dadurch auch im Laufe der Zeit normalisierten Instrumente zustande gekommen. Als zum Beispiel Mahmut II. 1828 Giuseppe Donizetti, den Bruder des berühmten italienischen Komponisten Gaetano Donizetti nach Istanbul einlud und dieser zuerst ein Symphonisches Orchester im Serail gründete und nach Jahren das erstenmal symphonische Musik dargeboten wurde, ergab sich daraus, dass in der Türkei der neubegonnene Gebrauch, die Anwendung der auch in anderen Ländern allgemein üblichen Instrumente, fortschritt.

            So hörten Ausübende und Zuhörer erstmals Mozarts Kunst, konnten dieselbe auch erlenen und bei Gelegenheit ausüben. Zur gleichen Zeit wurden in den sich bildenden Militärmusikkapellen der türkischen Armee Musikwerke des Abendlandes im Repertoire aufgenommen. Aus einem mir kürzlich von einem Privatarchiv zur Vergütung gestellten Militärmusikprogramm eines türkischen Regimentes aus der Regierungszeit Mahmut II. stammend ist zu entnehmen, dass 1847, also acht Jahre nach der politischen und sozialen Reformerklärung(2) zum erstenmal ein Werk von Joseph Haydn darin einbezogen wurde(!). In Wirklichkeit liegt die Sache so, dass vom l6. Jahrhundert an sich die europäischen Armeen die Janitscharenmusik zum Muster nahmen und die in der Osmanischen Armee angewendeten Instrumente sich aneigneten, deren Form und Gestalt entwickelten und die vorkommenden Eigenheiten in der türkischen Militärmusik zur späteren Realisierung zu eigen machten(3). Dagegen haben die Türken es vorgezogen, vom l9. Jahrhundert an die der in der abendländischen Musik allgemein angewendeten und dadurch standarisierten Instrumente ohne eine Veränderung vorzunehmen, so wie sie sind zu benutzen. Dieser Gebrauch der Westeuropäischen Türken, die zu den Mitgliedern der europäischen Völkerfamilie zählen, beruht vor allen Dingen und ohne jeden Zweifel auf der Basis des geopolitisch-natürlichen Fortschrittes.

            So wie im 15. Jahrhundert die Renaissance es war, die die reinen Merkmale der westlichen Zivilisation zum Standard in der ganzen Welt machte, waren es nicht eines Tages die Europäer, die ohne jede Rücksicht auf die religiöse, sektische, dogmatische oder auch Glaubensunterschiede die völkisch örtlichen und nationalen Traditionen und Eigenschaften zur gemeinsamen, einheitlichen Eigenschaft der Bewohner Europas entwickelten? Und so haben sich auch unter anderen die europäischen Türken auf dem im Laufe der Historie fortentwickelten Belehrungswillen stützend, ihre von der geopolotischen Struktur des Landes herrührende natürliche Reform vervollständigt und sich eines Tages durch diese Art und Weise auf den humanistischen Inhalt der Mozartschen Kunst näher interessiert. Mozart, der in seiner Kunst den humanitären und übernationalen idealen zustrebte, hat es in seinem Schaffen nicht verabsäumt, auch von der osmanisch-türkischen Musik und von echten türkischen Volkstum Gebrauch zu machen. Professor Paumgartner äußert sich darüber ungefähr folgendermaßen: "Mozart nähert sich der wahren, idealen Brüderlichkeit erstmalig in seiner, nach türkischem Thema komponierten Oper „Die Entführung aus dem Serail"(4). Niemand hatta über den Inhalt und die Ursachen eines solchen Austausches und einer derartigen Fühlungnahme, die im kulturellem Belange mit den Osmanisch-Österreichischen Beziehungen im Laufe der Geschichte stillschweigend Schritt hielten, fast bis in die letzten Zeiten, Interesse gezeigt. Die Wege, die Mozart den Türken und die Türken zu Mozart führten und die Hauptgründe, die diese Wege bahnten, blieben lange unerforscht.

            Bei all diesen Untersuchungen stellt sich das eine fest, dass die türkisch-deutschen Beziehungen im Laufe des 18. Jahrhunderts mit allen ihren positiven und negativen Erscheinungen einen Austausch von kulturellen Belangen verursachten, welche sich in der Geschichte Europas einen besonderen Platz einräumten. Und zwar aus diesen Gründen waren es die gegen Türken kämpfenden deutschen Soldaten, die im 16. Jahrhundert zum ersten Male vermittelten, die türkische Janitscharenmusik (Mehterhane) den europäischen Ländern unmittelbar näher zu bringen.(5)

            Von diesem Standpunkt aus ist zu ersehen, dass die, vom 16. Jahrhundert bis zur Kunst Mozarts reichenden, unter türkischen Einfluss abhängigen, geographischen Zonen des gegenseitigen Austauschgebietes sich bis zu den Alpen und den Karpathen auswirkten. Deswegen teilt sich diese Einfluss insbesondere in zwei Richtungen, und zwar die der Mitteleuropäischen und der Südosteuropäischen. Andererseits sind die Einflüsse der türkischen Kunst von zwei verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten:

  1. Die örtlichen, direkten.
  2. Durch Krieg und Belagerung hervorgerufenen, periodisch und zeitlich begrenzten.

Das in Istanbul im Topkapı Serail befindliche Archiv und die vorhandenen Literaturquellen  in Betracht ziehend und besonders im Lichte der Osmanisch-Österreichischen Beziehungen zu systematisieren versuchen, habe ich die gegenseitigen kulturellen und künstlerischen Einflüsse folgenderweise erörtert:

  1. Nachbarliche Beziehungen.
  2. In den vom Gegner eroberten Gebieten, bis zur völligen Auslöschung der kulturellen und künstlerischen Überlieferungen der sich geltend-machenden Einflüsse der Einwohner; oder bis zum völligen Untergange des Einflusses der ethnisch-folkloristischen Eigenschaften einer durch Unterjochung etablierten und dadurch auch naturalisierten Bevölkerung.
  3. Der gegenseitige Austausch von Gesandten und die Einflüsse der an den realisierten Veranstaltungen teilnehmenden Künstlern auf manche Kunstkreise im beschränkten Masse.
  4. Von dem in Friedenszeiten um die Realisierung bestimmter Art von Arbeiten oder Sachen sich gegenseitig zugesandten Spezialisten und Studenten verursachten Eindrücke oder auch Einflüsse.
  5. Der Wunsch und Wille des Gebrauches von Kriegsbeuten und den auf Handelswege gewonnenen Materialien für Kunst und Kultur.

            Der einzige “indirekte“ Anlass zur Entwicklung der Kultur und des Kunstaustausches, der ins Auge fällt, is der auf Reisen, Besuchen oder ähnlichen Anlässen im Gedächtnis gebliebene oder kundgegebene Eindruck und veröffentlichten Reise- oder Gesandtschaftsbeschreibungen.
Wie auch Dr. P. Panoff zu den obengenannten, in sechs Kategorien eingeteilten “direkten“ und “indirekten“ Einflüsse äußerte: im Verlaufe der damaligen osmanisch-deutschen Beziehungen, da Österreich mit der Türkei häufig Krieg führte, waren es deutsche Soldaten die erstmalig die türkische Janitscharenmusik in Österreich bekannt machten. Seit dem 16. Jahrhundert bekundete Österreich, für die unter den Namen “Janitscharenmusik“ bekannte Militärmusik großes Interesse.(6)

            Die unmittelbare Folge dieser Fühlungnahme und Berührungen war es, dass die alt Kriegsbeute heimgebrachten Instrumente wie “Becken“, “Triangel“ und “Türkische Trommel“ von den Militärkapellen des altösterreichischen Heeres übernommen wurden, und dass besonders in Mitteleuropa die Janitscharenmusik sehr beliebt und zur Mode der Zeit wurde. Wie sonst könnte man es sich erklären, dass in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert einige deutsche Markgrafen und später der Preußenkönig Friedrich II. den Wunsch und die Absicht hatten, durch Heranziehung türkischer Musiker der Armee nach der Janitscharenmusik eine Militärkapelle zu gründen?(7)

            Andererseits wurden Gesandte des jeweils regierenden Osmanischen Sultans nach Europa und infolgedessen auch nach Österreich Gesandt, in deren Gefolge sich immer eine Janitscharenmusik befand. Gegebenenfalls bestand das Gefolge des Gesandten manchmal aus fünf bis siebenhundert Personen und einem umfangreichen Janitscharenmusik Ensemble, das fallweise auf der Reiseetappe oder am Ziel regelmäßig Darbietungen veranstaltete. So zog zum Beispiel 1665 unter der Herrschaft Mehmet IV. abgeordnete Gesandte Kara Mehmet Aga, von österreichischem Fußvolk und einer großen Volksmenge empfangen, unter den Klängen der Janitscharenmusik durch das Kärntnertor in Wien ein und setzte seinen Einzug, immer unter Janitscharenmusikbegleitung, bis zu dem ihm als Standquartier zugeteilten Gebäude in der Leopoldstadt fort. Außerdem fand während der Sitzungen (Divan) die der Gesandte jeden Nachmittag abhielt, eine Darbietung der türkischen Militärmusik statt.